Wie ein Vienna Vikings Tryout Bernhard Raimanns Leben prägte
Anlässlich des am Sonntag stattfindenden NFL International Games in Berlin, wo Bernhard Raimann und seine Indianapolis Colts auf die Atlanta Falcons treffen, haben sich die beiden ORF Sport Redakteure Karl Huber und Bernhard Kastler mit dem österreichischen Aushängeschild des AmericAn Footballs über seine Anfänge bei den Vikings in Wien, seinen Werdegang und sein aktuelles Leben als NFL-Star, Ehemann und Vater unterhalten.
Quelle: > sport.orf.at
Wie ein Tryout Raimanns Leben prägte
Vom Tellerwäscher zum Millionär ist die klassische Definition des „American Dream“. Bernhard Raimann fand sein Glück aber nicht in einer Küche, sondern in der größten Profiliga der Welt. In seinem vierten Jahr in der National Football League ist der Wiener nicht nur eine tragende Säule der Indianapolis Colts, sondern einer der besten Left Tackles der Liga. „Es ist sehr, sehr surreal“, so Raimann im ORF-Interview. Ein Probetraining veränderte sein Leben.
Als Raimann seinerzeit mit 14 Jahren bei einem Tryout der Vienna Vikings erschien, hatte er es sich nicht träumen lassen, dass er am Sonntag als einer der Stars im Team der Indianapolis Colts beim NFL-Gastspiel im Berliner Olympiastadion gegen die Atlanta Falcons am Sonntag einlaufen würde. Zwei Jahre später hatte der Wiener kurz nach seinem 16. Geburtstag bei einem Besuch eines Spiels in London den Entschluss gefasst, es in die NFL zu schaffen.
Der Traum, der einst beim Probetraining seinen Anfang nahm, ist Wirklichkeit geworden. 2022 wurde der 1,98 Meter große Athlet von Indianapolis in der dritten Runde als erster Österreicher überhaupt im Draft gezogen. „Man glaubt es fast selber nicht, dass man jetzt in den USA lebt und in der NFL spielt. Ich habe durch Football auf der Uni meine Frau kennengelernt, dieses Jahr ist unsere Tochter zur Welt gekommen“, blickt Raimann ungläubig zurück auf die letzten turbulenten vier Jahre seines Lebens zurück.
In seinem vierten Jahr ist der 28-Jährige aus der Offensive Line der Colts nicht mehr wegzudenken und trug bisher wesentlich dazu bei, dass Indianapolis zu den aktuell besten Teams der Liga gehört. Die 20:27-Pleite bei den Pittsburgh Steelers am neunten Spieltag war erst die zweite in der laufenden Saison. „Im Endeffekt haben wir uns selbst geschlagen. Aber man lernt von seinen Fehlern, und es geht einfach darum, diese Fehler auszubessern“, sagte Raimann.
Verbessern und lernen ist die große Stärke Raimanns, der einst an der University of Central Michigan vom schlaksigen Tight End zum massigen Left Tackle umgemodelt wurde. Seine Entwicklung vom Wiener Nobody mit burgenländischen Wurzeln zu einem der Topspieler auf seiner Position in der NFL ist Raimann selbst oft zu rasant: „Jedes Mal, wenn ich zurückblicke auf meine Zeit bei den Vienna Vikings, fühlt es sich wie eine Ewigkeit an, die es her ist.“
Megavertrag als Auftrag
Im Sommer sprachen die Colts-Besitzerinnen rund um Carlie Irsay-Gordon, die mit ihren Schwestern ihren im Mai verstorbenen Vater Jim beerbten, Raimann das ultimative Vertrauen in Form eines Megavertrages aus. Für vier weitere Jahre und 100 Mio. Dollar (rund 87 Mio. Euro) band die Franchise ihren Left Tackle an sich und machte ihn auch gleich neben Basketball-Ass Jakob Pöltl zum rot-weiß-roten Topverdiener im Sport. „Wenn man weiß, dass man noch viereinhalb Jahre hier sein kann, ist das natürlich eine Riesenehre“, sagte Raimann, „es ist für mich auch noch mehr Motivation, alles zu geben.“
Den Vertrag sieht der Wiener einerseits als Auftrag, ein „Türöffner“ für andere junge österreichische Spieler in die große Football-Welt zu sein, und andererseits auch als Verpflichtung, endlich wieder eine Super Bowl nach Indianapolis zu bringen. 2006 durften die Colts rund um Superstar Peyton Manning zuletzt die Vince-Lombardi-Trophy stemmen. Nicht nur damit will der Österreicher „einen guten Eindruck hinterlassen“, sollte seine NFL-Karriere einmal außerhalb von Indianapolis weitergehen. Der Megavertrag und die Wellen, die jeder Kontrakt dieser Kategorie schlägt, lassen Raimann aber nicht abheben. „Ich glaube nicht, dass er mich verändert hat. Zumindest habe ich von Freunden und Familie noch nichts gehört, dass das so wäre“, so der Wiener. Verändert habe sich interessanterweise nur das Verhältnis zu dem einen oder anderen Teamkollegen, der angesichts der Gehaltsobergrenzen in der NFL selbst gerne einen Vertrag dieser Größenordnung hätte: „Aber das hat man im Leben immer so, dass einen manche Leute anders behandeln als zuvor.“
Familie als willkommene Abwechslung
Was Raimann mehr Auftrieb gibt als jede Handvoll Dollar mehr, ist seine junge Familie. Seit heuer ist der 28-Jährige mit seiner Frau Calli stolzer Vater einer kleinen Tochter. Es sei „extrem erleichternd“, so Raimann, „Zeit mit der Familie zu verbringen, gemeinsam zu lachen und zu spielen und nicht an Football zu denken. Für mich ist es für die mentale Gesundheit sehr wichtig, den Kopf frei von Football zu bekommen und im Hier und Jetzt mit der Familie zu sein.“
Denn die NFL ist trotz allen Glamours, Spektakels und der Megastars für Raimann vor allem eines: sein täglicher – und teils eintöniger – Job. „Sobald die Saison anfängt, ist die Woche immer gleich strukturiert“, erzählt der Wiener. Nach der mentalen und physischen Nachbearbeitung der sonntäglichen Spiele am Montag stehen vor allem Mittwoch, Donnerstag und Freitag „volle Arbeitstage mit Kraftkammer und Training und viel Videoanalyse“ auf dem Programm. Einzig am Dienstag („Unser Feiertag“) bleibt Zeit für private Termine.
Vorfreude auf Berlin
Auch vor Auswärtsspielen und Gastspielen in Europa wird der Trott nicht geändert. Diesmal ist die Vorfreude auf einen langen Flug bei Raimann größer als sonst. Denn zum zweiten Mal nach 2023 in Frankfurt kann der 28-Jährige nahe der Heimat vor Freunden und Familie sein Können zeigen. „Ich hoffe, dass es nicht viel anders ist als in Frankfurt. Wir hatten dort wirklich sehr viel Spaß. Es war eine Megastimmung“, sagte Raimann, der auch dank seines Managers Robin Lumsden, seines Zeichens auch Main Owner der Vienna Vikings, den Kontakt nach Europa nie verloren hat.
In Frankfurt war Raimann noch aufgrund seines Status als deutschsprachiger Spieler im Colts-Team die große Attraktion, jetzt wird der Jungvater auch als Teil einer der besten Offensivreihen der Liga ein gefragter Gesprächspartner sein. Die Erfüllung des „American Dream“ wird sicher auch dann wieder Thema sein. Ein Traum, der durch den Mut eines Teenagers wahr wurde: „Man kann es gar nicht glauben, dass all das nicht zustande gekommen wäre, wenn nicht vor 14 Jahren ein Tryout bei den Vienna Vikings stattgefunden hätte.“